Ich denke, man kann ein italienisches Menü, welches zu Anlass eines Familienfestes kredenzt wird, sehr gut mit einem Marathonlauf vergleichen.
42 Kilometer … es scheint zunächst ein wahnsinniges Vorhaben zu sein, doch mit der richtigen Technik, einer gut ausgetüftelten Taktik … natürlich auch mit starker Willenskraft und Ausdauer kann man es bis zur Zielgeraden schaffen, an deren Ende stets ein dicker frisch aufgebrühter Espresso als Belohnung wartet.
Da ich das Vergnügen habe, nun schon zum 2. Mal an einem solchen Menü teilzunehmen, verfüge ich auf jeden Fall über ein wenig Erfahrung. Mit Kai, als halbem Landsmann verfüge ich außerdem über einen Mitstreiter, welcher einen in Momenten des Durchhängens nicht nur anfeuert, sondern auch im Zweifel einen glibberigen Oktopus aufisst, der sich mit seinen Tentakeln über mein gesamtes Risotto verbreitet.
Hier nun ein paar Fallen in die der Anfänger leicht reintappen kann:
1. die Brotfalle
Zu Beginn eines solchen Menüs hast du in der Regel Hunger … geniesse diesen einzigartigen Moment der Glückseligkeit, an dem du sich leicht und leer fühlst. Wiege dich nicht zu früh in Sicherheit, die ein leerer Magen vermitteln kann. Teile das Brot in sinnvollen Abschnitten über die gesamte Distanz.
2. Die Weinfalle
In stark alkoholisiertem Zustand schaffst du es niemals bis zum Dolce. Der Italiener als solcher neigt dazu, es immer sehr gut mit dir zu meinen … er wird zu jeder Zeit dafür sorgen, dass dein Glas stets voll ist. Du trinkst und trinkst, das Glas wird niemals leer. Konzentriere dich also und visualisiere stets dein Ziel. Am besten geht das mit einem ebenso vollen Glas Wasser gleich daneben. Denn auch dies wird immer aufgefüllt sein.
3. die Geschmacksfalle
Pasta, Risotto, Polenta, Antipasti, Bistecca … jedes Gericht für sich schmeckt einfach wundervoll, doch du wirst es niemals bis zum Ende schaffen, wenn du jedes einzelne bis auf den letzten Gabelstrich aufisst.
Wie gesagt, als Profi konnte ich die typischen Fallen dieses Mal mühelos überwinden. Am Ende wartete eine sehr leckere Schokoladentorte und natürlich der lang ersehnte Kaffee.
Mittlerweile ist es Montag morgen und wir sitzen am Bahnhof in Treviglio und warten auf unseren Zug nach Bergamo. Dort verbringen wir heute noch einen Tag, bevor es morgen früh wieder zurück in die Heimat geht.
Der gestrige Tag war wirklich sehr schön, im Gottesdienst habe ich zwar kein Wort verstanden, aber die Feier fand wie auch im letzten Jahr auf einem idyllischen Hof in der Kampagne statt, welcher von Padre Antonio geleitet wird. Dort lebt eine Selbstversorger Kommune, die aus ehemaligen Strafgefangenen, afrikanischen Flüchtlingen, schwer erziehbaren und Außenseitern besteht, welche beim Padre Arbeit und Auskommen erhalten. Ein schönes Konzept, welches offensichtlich gut funktioniert.
Im Anschluss traf sich noch der harte Kern bei Kais Cousin, wo wir bei lauten italienischen Gesprächen noch mit Kaffee, Grappa und Cantuccini gefüttert wurden.
Müde und zufrieden sind wir dann gegen Acht in unser kleines Albergho gelaufen, wo wir, ob man es nun glauben kann oder nicht, im direkt angeschlossenen Restaurant jeder noch eine wagenradgrosse Pizza verspeist haben *rülps*
In Sportlernreisen nennt man so etwas glaube ich lockeres Abtrainieren ;-)