Ein- und Aussichten

Gerade komme ich von einem abendlichen Bad im smaragdgrünen Alatsee. Der ist nur ein paar Kilometer von hier entfernt und meine Tischnachbarin hat ein Auto. Der Moment war perfekt und wunderschön. Das habe ich aber auch gebraucht, nach diesem merk- und denkwürdigen langen Wochenende.

Alles hat damit begonnen, daß ich am Fronleichnamsdonnerstag das Grab meiner Großtante im Nachbarort besucht habe. Der Besuch hat einiges in mir ausgelöst, über das ich dieses Wochenende viel nachgedacht habe und auch so einige Tränen geweint habe. Ich bin tief eingetaucht, auch in vergangene Jahre und habe dort so einiges ausgegraben, woran ich lange nicht gedacht habe … Die Reise ins Ich. Aber das sagte ich ja glaube ich schon. Es waren schmerzhafte Momente dabei, aber auch tolle Erkenntnisse, die mich ein kleines Stückchen näher zu mir selbst und auch zu meiner eigenen Akzeptanz gebracht haben. Klingt esoterisch? Soll es auch, ich bin hier ja schließlich die Patientin ;-)

Aber ich fands toll. Heute morgen hatte ich Gruppentherapie. Es hört sich immer erst mal komisch an, wenn man mit wildfremden Menschen im Kreis sitzt, und anfängt, ein bisschen von sich selbst preiszugeben. Aber man wird ja nicht zum Reden gezwungen, es redet nur der, des es möchte. Andere können schweigen. Aber letztendlich ist jeder für sich selbst verantwortlich, und schweigen mag ich nicht. Also habe ich heute geredet, viel so gar, ich habe vor vollkommen Fremden meine Geschichte ausgepackt. Und es hat sich gut und richtig angefühlt. Warmherzig und geborgen. Am Nachmittag habe ich dann noch mal in einer Einzelsitzung über den Tag gesprochen, und es fühlt sich alles rund an. Ich glaube das war, gut. Wie gesagt, ich bin einen riesengroßen Schritt weitergekommen.

Vielleicht wird es mir auch in Zukunft helfen, mit ewas mehr Selbstvertrauen ins Berufsleben zurück zu gehen, meine Frau zu stehen und mich nicht dauernd von wild umherfuchtelnden Personen einschüchtern zu lassen. Das wäre schön. Die Richtung stimmt jedenfalls.

Da der Seelenspaziergang sehr viel Energie gesaugt hat, habe ich beschlossen, die große Wanderung am Samstag nicht mitzumachen. Ich hätte sie nicht geniessen können. Auch das Schnitzen am Freitag habe ich aus diesem Grund abgesagt, schließlich arbeitet man da mit scharfem Werkzeug und da muß man schon mit voller Konzentration bei der Sache sein. Von der Therapeutin gab es für dieses vorbildliche Verhalten auch ein Bienchen. Die eigenen Signale erkennen, bewerten und die richtige Entscheidung treffen. *klopftsichaufdieschulter*

Dafür hatte ich gestern Besuch vom Ammersee und wir sind von der Talstation der Breitenbergbahn zur Burgruine Falkenstein gelaufen, wobei gekraxelt es eher treffen würde, der Aufstieg von der Südseite hatte es in sich, es ging durch schmale steile Pfade im Wald, die von Baumwurzeln und allerlei Geröll übersäht waren. Ich war froh über die Wanderstöcke und die vielen Ruhebänklein entlang des Pfades. Oben angekommen, wurden wir dann aber mit einem sensationellen Rundumblick über den Beginn der Alpenkette mit seinen Seen und Tälern belohnt, von weitem konnte man Füssen und den Forgensee erkennen sowie das majestätisch im Hang gelegene Schloß Hohenschwangau. Dort oben gab es ein nettes Gasthaus mit dem wohlverdienten Kaiserschmarrn. Es war ein gelungener Tag.

Wanderung 4
Talstation Breitenbergbahn – Buruine Falkenstein – Pfronten Meilingen – zurück zum Ausgangspunkt

ca. 8 Kilometer, Gehzeit ca. 3 Stunden, ca. 430 Höhenmeter
Kaiserschmarren Burghotel Falkenstein: 7 von 10 Punkten

Blick von der Burgruine Falkenstein
Mariengrotte

Reise ins Ich

Ich habe mich gerade nur mit Widerwillen aus einer wundervollen Wärmepackung herausjagen lassen. Das ist so eine Wohltat. Seit ein paar Wochen habe ich Probleme im oberen Rückenbereich und die Schmerzen sind oft sehr unangenehm. Gestern war ich dafür auch in Physiotherapie und der Therapeut hat sich ganz genau alles angeschaut und mir einige Übungen gezeigt, die ich zusätzlich machen kann. Schuld ist wahrscheinlich der Bürostuhl und die Computerarbeit. Sitzen ist das neue Rauchen sagt man ja.

Dennoch, so sportlich wie momentan war ich, mit Ausnahme meiner Zeit im Schwimmverein als Teenager, noch nie im Leben. Gleich zu Beginn meines Aufenthaltes, habe ich mich dazu entschlossen, das Angebot einer sportmedizinischen Untersuchung wahrzunehmen. Diese ist eine Zusatzleistung, wird aber angeblich von meiner Kasse zu zwei dritteln unterstützt. Es wurde ein Belastungs EKG gemacht, alle drei Minuten Blutdruck- und Laktatmessung, Körperfettmessung, Lungenfunktionstest sowie Größen- und Gewichtsaufnahme. Ein langjähriger Mythos wurde zerstört, ich bin offensichtlich nicht mehr 1,78m groß, sondern nur noch 1,76m. Huh. Waaaas? Ein Teil wird dem Alter geschuldet sein, ein Teil, so der Therapeut, sei auch meinem Gewicht geschuldet. Er meinte, ich müsse unbedingt Gewicht reduzieren, um den kompletten Körper zu entlasten. 10 Kilo Körperfett sollen es werden, meint er … naja, wir kennen ja diese Supersportler, die gleich nach dem Frühstück die erste Kuh erlegen, in dem sie 2 Stunden Radfahren, danach 5 Stunden trainieren und sich anschließend noch die Eiweißreiche Kost zuführen.

Nun ja, so unrecht hat er nicht und ich möchte ja im September mein großes Ziel erreichen, und die Alpen zu Fuß überqueren, er hält dies nicht für unrealistisch, aber dafür, daß ich das ganze auch etwas genießen kann, empfiehlt er, die Kondition grundlegend aufzubauen. Ich bekam einen Trainingsplan ausgearbeitet und soweit läuft es ganz gut.

Nachher gehen wir zum Klettern in den Hochseilgarten, das ist eine freiwillige Veranstaltung, hat aber auch einen gewissen therapeutischen Ansatz, zum Beispiel Überwinden von Ängsten, Selbstvertrauen gewinnen etc. Ich habe echt Schiß vor der Höhe, vor ein paar Jahren haben wir das mal mit dem Büro gemacht und es ist echt hart, in 10m Höhe über irgendwelche Hindernisparkours zu kraxeln. Aber heute stelle ich mich mal wieder meiner Angst. Wie der Bayer sagt: S’huiftjonix.

Jetzt bin ich zwei Wochen hier, und ich spüre, wie ich langsam ruhiger werde. Die Entspannung breitet sich langsam aus und ich finde es interessant, daß ich hier weder Fernsehen noch Smartphone brauche, um mich zu beschäftigen. Momentan kommt mir der ständige Blick in die sozialen Medien wie Instagram oder Facebook vollkommen absurd vor, warum ist es so interessant was anderen Menschen tun. Ganz esotherisch würde ich sagen, meine Reise ins Ich ist momentan viel spannender.

Wasserstandsmeldung

Heute ist Montag und man hat das Gefühl, dass die erste richtige Woche der Reha beginnt. In den letzten Tagen hatten wir haufenweise Einführungs- und Informationsveranstaltungen, aber ab heute ist mein Therapieplan bis oben hin vollgestopft mit Anwendungen.

Es ist 5 Uhr am Morgen und ich liege bereits wach im Bett, denn gleich beginnt der Tag mit dem morgendlichen Frühsport. Den durften wir schon in der letzten Woche genießen. Und ich sage bewusst genießen. Auch wenn es um 7 Uhr bereits losgeht, so ist es doch wunderschön vor einer solchen Kulisse den Kreislauf anzukurbeln.

Dreimal die Woche gibt es die dann die Morgenrunde, in der alles besprochen wird, was den Klinikalltag angeht, das ist eigentlich immer recht schön.

Leider werden dann auch nicht so schöne Themen angesprochen, so fallen zum Beispiel in der kommenden Woche die Einzeltherapiegepraeche aus und das hat mir einen Schlag in die Magengrube versetzt. Die tun mir nämlich immer sehr gut. Es herrscht akuter Personalmangel und dazu kommt die Urlaubszeit.

Ansonsten gab es in der letzten Woche viel Sport und Bewegung, ich habe getöpfert in der Ergotherapie und Dienstag und Freitag Abend gehe ich zum Schnitzkurs. Den leitet ein passionierter Holzentusiast, der einem sehr ruhig erklärt, wie man die scharfen Werkzeuge sanft durch das harte Holz gleiten lässt.

Am Mittwoch gab es eine Genusswanderumg, die uns durch das Pfrontener Moor geführt hat. Dort gab es Blumenwiesen mit einer Vielfalt, so was habe ich vorher noch nie gesehen.

Samstag war ich wandern mit einer kleinen Gruppe, angeführt von einem pfrontener Urgestein, der uns mit viel Humor durch die Berge geführt hat. Wir sind gelaufen von der Vilstalsäge zur Stubentalalpe ins benachbarte Österreich. Dort oben auf der Hütte gab es einen der besten Kaiserschmarrn, die ich jemals gegessen habe, auf meiner persönlichen Kaiserschmarrnskala volle 10 von 10 Punkten.

Gestern war ein gemütlicher Sonntag, ich war lange im Raum der Ergotherapie, dort ist am Wochenende immer geoffnet und man kann kreativ sein. Ich habe mal wieder getöpfert. Das macht so einen Spaß. Das Wetter war ohnehin durchwachsen und nach der anstrengenden Wanderung vom Samstag, tat es auch gut, seinem Körper mal etwas Ruhe zu gönnen.

Zwischendurch gab es einen Cappuccino beim Stammeisdealer im Ort mit meinen Tischmädels. Richtig schön ist das, wenn sich Tränen mit einem so starken Lachen mischen, dass man sich den Bauch halten muss.

Wanderung 2

Von der Klinik rauf zum Hörnli und durch das Pfrontener Moorgebiet, 7 km, Gehzeit ca. 2 Stunden

Wanderung 3

Von der Vilstalsäge zur Stubental Alpe in Tirol

11km, ca 450 Höhenmeter, Gehzeit ca. 3,5 Stunden

Pfingstwochenende

Ein langes Pfingstwochenende liegt fast hinter mir und streckenweise hat es sich schon komisch angefühlt. Weg von zu Hause, irgendwie doch alleine in dieser noch fremden Umgebung. Immer abends, wenn es still wird, fühle ich mich ein kleines bisschen einsam. Aber das geht meistens schnell wieder weg.

Am gestrigen Sonntag gab es ausser den regelmäßigen Mahlzeiten keinen einzigen offiziellen Programmpunkt und so habe ich mich nach dem Frühstück direkt erst mal wieder hingelegt. Einfach so. Wenn nicht hier, wo denn sonst.

Nach dem Mittagessen zog es mich dann aber wieder raus. Nach einem kurzen Cappuccino um die Ecke im Eiscafe bin ich mit meiner Tischnachbarin entlang der Vils spazieren gegangen. War das schön, der klare Gebirgesbach strömt geräuschvoll entlang sattgrüner Wiesen und immer wieder ergeben sich neue schöne Blicke auf die Voralpen. Die Blumenwelt blüht in den sattesten Farben, wobei es mir der zitronengelbe Mohn besonders angetan hat. Wir haben der Allgäuer Alpakafarm einen Besuch abgestattet und uns dann quer durchs Dorf zurück zum Ausgangspunkt begeben. Zwischendrin kann man immer wieder kleine Entdeckungen machen, wie zum Beispiel den kleinen von einer privaten Initiative angelegten Garten mit einer Kneippschen Wassertretbahn, gefühlt mit eiskaltem Gebirgswasser und echten Flusskieseln. Dort haben wir nach unserer kleinen Wanderung ein bisschen abgekühlt. Meine Begleitung hat dann dieses Foto von mir gemacht und ich schaue es mir schon die ganze Zeit an, weil ich mich darauf mag. Ich lächle und fühle wich wohl, ich finde das sieht man.

Später nach dem Abendessen war ich schon wieder im halb sieben im Zimmer. Komischer Moment. Aber mit ein bisschen Netflix und einem leichten Abendgestrick konnte man es aushalten.

Heute vormittag gab es dann eine Einführung ins Nordic Walking. Das hat mich total begeistert. Die Joggerei war in der letzten Zeit nichts mehr fuer meine Knie, einfaches Walken ist mir zu langweilig. Aber dieses gleichförmige gehen mit weitschwingenden Armen und den dünnen Stöcken hat total viel Spaß gemacht. Wir haben das sogar auf dem offiziellen Programm als Anwendung, weil Sport eben gut für die Psyche ist. Und eine leichte gleichförmige Bewegung bei moderaten Herzschlag setzt Endorphine frei. Mal sehen, ob das bei mir auch funktioniert.

Heute Nachmittag bin ich dann mit meinem geliehenen Fahrrad in Richtung österreichischer Grenze gefahren. Auf dem weg dorthin, habe ich noch mal meinen geliebten Alpakas einen Besuch a gestattet und eine ganze Weile beobachtet, wie die drolligen Paarhufer leise mümmelnd das frische Allgäuer Gras abrupfen. Ich wurde ebenso neugierig betrachtet. Man kann dort sogar Alpakawolle kaufen, aber leider hatte der kleine hofladen bisher immer geschlossen. Hoffentlich habe ich nochmal irgendwann mehr Glück.

Auf dem Rückweg bin ich wieder bei unserer Stammeisdiele (nach nur fünf Tagen ;-) vorbeigeradelt und habe dort gemütlich ein eines Spagettieis gegessen.

Direkt danach stand ich seniorengerecht in der Warteschlange vor dem Speisesaal, denn um Punkt halb sechs geht es los. Neben dem üblichen Salat, Brot und Aufschnitt gab es heute Abend sehr leckeren Milchreis mit Zucker und Zimt. Überhaupt muss ich mal sagen, dass das Essen hier wirklich lecker ist. Darüber kann man sich beim Willen nicht beklagen. Aber wir werden mal sehen, wie einem das nach 4 Wochen vorkommt. Ich werde mich erinnern.

Berg und Tal

Am gestrigen Samstag hatte ich nur eine kleinere Anwendung, eine 20 minütige Massage auf dem Hydrojet. Das ist eine Art Wasserbett, angenehm gewärmt, wo dann mehrere Massagedüsen den gesamten Rücken bearbeiten. Das war sehr angenehm. Ich hatte beim Arztbesuch meine Rückenschmerzen erwähnt, da wurde mir das verordnet.

Danach bin ich mit meinem Rad in die Innenstadt geradelt und habe mir kurzfristig in einem Sportgeschäft einen ordentlichen Tagesrucksack gekauft. Das war unbedingt notwendig, denn man braucht unterwegs viel zu trinken, und Kamera, Geld und Strickzeug müssen ja auch immer dabei sein. Ich habe mir einen kleinen Deuter mit 16l Volumen und einem extra Fach für die Trinkblase gekauft. Meine Trinblase fasst 2 Liter Wasser, es ist ein Kunststoffbeutel mit einem Schlauch, an dessen Mundstück man während der Wanderung permanent trinken kann, sehr praktisch ist das. Später habe ich meine Tischdamen zum Cappuccino in der Eisdiele getroffen.

Nach dem Mittagessen habe ich noch ein kurzes Schläfchen gemacht und pünktlich gegen 2 Uhr riss der komplette Himmel auf und zeigte sich in strahlendem Blau. Direkt hinter dem Klinikgebäude habe ich mich in voller Montur auf meine erste alleinige Wanderung begeben. Achtsam solle ich sein, sagte die Therapeutin.Da hat sie was gesagt. Es ging steil bergauf. Ich habe geschnauft und geschwitzt und bin aber irgendwann in den Tritt gekommen. Ich glaube meine Grundkondition hat sich in den letzten Monaten deutlich verbessert.

Erstmal hat sich etwas Frust in meinem Gehirn breit gemacht. Darüber dass ich hier in einer psychosomatischen Klinik nur eine halbe Stunde Einzeltherapie pro Woche bekomme. Es fühlt sich irgendwie nicht richtig an. Es gibt noch so viel zu besprechen. Ich wurde immer wütender und trauriger und fühlte mich mutterseelenallein. Ich fing an zu heulen, laut, in der bergwelt. Da war ja niemand. Ich heulte und heulte … Ich konnte plötzlich gar nicht mehr aufhören. Doch dann geschah etwas wunderbares, ich erreichte offene Felder, die Kühe lagen friedlich mümmelnd auf der Wiese und ich wurde friedlicher, versöhnlicher, mit mir, mit dem Leben, mit meiner Situation. An allen Seiten blühende Wiesen mit Butterblumen, Margeriten und Löwenzahn, hohe Tannen strecken sich malerisch in den blauen Himmel. Da tauche das Hinweisschild zur Gundhütte auf, es waren noch 20 Minuten bis dort hin und ich roch gedanklich schon den leckeren Kaiserschmarrn. Den gab es leider nicht, dafür einen gemütlichen Liegestuhl in der Sonne, frisch gebackenen Erdbeerkuchen und eine Tasse Kaffee. Was will man mehr.Auf dem Rückweg brauchte ich für die gleiche Strecke nur etwa halb so lang. Ich stapfte glücklich und mit einem breiten Grinsen den Berg hinab. Die Knie fanden das zwar nicht so fein, aber die Wanderstöcke konnten es etwas abpuffern. Wieder unten angekommen, war ich einfach nur stolz, das alleine geschafft zu haben.

Wanderung 1 von X:

Vom Klinikgebaude zur Gundhütte

ca. 10 Kilometer

ca. 350 Höhenmeter

ca. 2,5 Stunden Gehzeit

Erkenntnis des Tages:

Ich kann das auch alleine.

Schönster Moment:

Dusche im Anschluss an die Wanderung, Abendessen und Beine hoch 😉

Achtsamkeit

Frage, ist es ein klassisches Paradoxon, wenn in der Hausordnung einer psychosomatischen Klinik geschrieben steht, das während des Therapieaufenthaltes kein Alkohol gestattet ist, es diesen aber unbegrenzt in der zentralen Cafeteria zu kaufen gibt? Aber wer bin ich, der solche Regeln in Frage stellt. Ich trinke ohnehin fast nie Alkohol, habe mich aber dafür umso mehr über das kalte Radler gefreut. Es ist mittlerweile 21.30h und ich bin immer noch wach. Was ist denn da los?

Das Programm heute morgen begann mit einer sogenannten Morgenrunde. Dazu versammeln sich alle Psychopatienten in einem Vortragsraum, einschließlich der gesamten Ärtzte- und Therapeutenschaft. Wir würden begruesst und alle neuen dürften aufstehen und sich mit Namen und Herkunftsort vorstellen. Halb so wild, dazu gab es allgemeine Infos und Veranstaltungstips außerhalb des Therapieplans. Nächsten mittwoch findet eine Hüttenwanderung statt, immerhin 13 Kilometer und 400 Höhenmeter und dazu konnte man sich anmelden. Allerdings brauchte man dazu die Erlaubnis von Arzt und Therapeutin. Die Therapeutin schlug vor, während der Wanderung still zu sein, nicht zu reden und achtsam zu bleiben. Auf den Körper hören, ihn besser kennenlernen. Der Arzt schaute skeptisch wegen dem Knie, aber letztendlich muss ich auch hier lernen, die Zeichen zu erkennen. Instrumente sind das, die mir vielleicht in Zukunft helfen koennen, achtsamer zu werden. Wer weiss, ich probiere es aus.

Danach gab es eine Einführung in die Ergotherapie. Alter Hut für mich, ich war ja schon Körbe basteln in Frankfurt 😉 … Aber hier werde ich mich ans Töpfern machen. Darauf freue ich mich schon. Wir haben zwar nur zwei Stunden in der Woche, aber man kann die Werkstatt auch zwischendurch und am Wochenende nutzen.

Anschließend eine allgemeine Einleitung in allgemeine Rehabilitation und deren Ziele, die Nachhaltigkeit und dergleichen.

Heute nachmittag dann ein (sehr) leichtes Yoga. Das hat trotzdem gut getan.

Für die nächste Woche habe ich schon meinen neuen Therapieplan, der ist tatsächlich gar nicht so voll wie gedacht. Schade eigentlich. Aber umso mehr Zeit bleibt zum Entdecken dieser tollen gegend. Und die Sporteinrichtungen und Geräte kann man auch immer nutzen. Ach ja, ein Fahrrad habe ich mir ausgeliehen. Mal sehen, was ich mit der vielen Zeit anstelle.

Den Abend habe wir Tischfrauen dann in der Eisdiele verbracht und uns beim Eis ein bisschen besser kennengelernt. Das war sehr schön. Da ich dann aus vollkommen unerfindlichen Gründen immer noch wach war, habe ich mir das besagte Radler gegönnt und schreibe bei angenehmer Außentemperatur noch schnell diesen Beitrag. Jetzt geht’s aber ins Bett.

Gute Nacht.

Pfiats Eich

Es ist jetzt halb acht und ich bin hundemüde. Fast den ganzen Tag war ich beschäftigt und habe einen Termin nach dem anderen wahrgenommen. Das Abendessen, welches zu einer Zeit angeboten wird, in der ich zuhause gelegentlich noch bei Kaffee Kuchen sitze, habe ich bereits hinter mir. Jetzt sitze ich alleine in meinem geräumigen Zimmer und versuche, noch ein bisschen Zeit rumzubringen, damit ich nicht wieder mitten in der Nacht wach werde, und nicht mehr zurück in den Schlaf finde.

Aber mal ganz der Reihe nach. Die Fahrt gestern verlief bis zum ersten Umstieg völlig problemlos. Aber dann in Ulm hatte der Anschlusszug bereits 30 Minuten Verspätung … der nächste in Kempten dann doppelt so lang und am Ende bin ich exakt 2 Stunden nach errechnetem Termin angekommen. Was solls. Eine erste Übung in Geduld und ich hatte ja Zeit.

Am kleinen Bahnhof in Pfronten wurde ich von zwei netten älteren Damen abgeholt und gegen halb 5 erreichte ich die Klinik. Was für ein Idyll. Kann man sich eine bessere Lage für ein solches Haus aussuchen? Ich hatte ja bei der Wahl kein Mitspracherecht und umso erfreuter bin ich nun, dass es mich hierher verschlagen hat. Wir haben direkt geklickt, Pfronten und ich.

Dort angekommen ging es auch gleich los. Noch bevor ich in mein Zimmer durfte, hatte ich ein erstes kurzes Aufnahmegespräch und eine kurze Einweisung in die Gepflogenheiten des Speisesaals. Danach hievte ich meinen Riesenkoffer durch die langen Gänge in meine Übergangsbehausung für die nächsten 4 Wochen. Ich war positiv überrascht. Wenn auch die Einrichtung und ich geschmacklich nicht zueinander kommen ;-) … So ist das Zimmer doch recht gross, mit Balkon und einer herrlichen Aussicht. Ich freue mich, die Ruhe ist unglaublich. Für mich als Stadtmensch fast unheimlich. Ab und zu summt mal ein Bienchen und aus der Ferne läuten die Kuhglocken.

Es blieb nicht lange Zeit und ich musste zum Abendessen. Das gibt es hier von 17.30 bis 18.30. Das ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber meinem Magen wird es nicht schaden, wenn er so spät nix mehr zu essen bekommt. An meinem Tisch sitzen ich zusammen mit 4 Frauen, alle etwa im gleichen Alter und wir verstehen uns gut. Da bin ich wirklich froh. So machen auch die Mahlzeiten Freude.

Nach dem Essen gab es dann eine kurze Führung durch das Haus und abschließend noch ein kurzes Gespräch mit einer Pflegekraft, ob man für die Nacht mit allem versorgt sei.

Heute morgen ging es direkt um halb 8 weiter, Blutabnahme, Frühstück, EKG, Aufnahmegespräch Arzt, Aufnahmegespräch Therapeutin, Mittagessen, Einweisung in die Sporttherapie … Uff. Ich habe mir meinen Plan für die nächsten Tage picke packe vollgepackt und zu allem ja gesagt, was mir angeboten wurde. Physiotherapie für meine Knie, Rücken- und Beckenbodengymnastik, autogenes Training, Einzel- und Gruppengespräche, Atemtherapie, therapeutischen Bogenschießen usw.

Und weil der morgige Nachmittag noch leer war, habe ich mir für den späten Nachmittag noch eine Stunde Yoga gebucht und mich danach für die Damensauna angemeldet. Darauf freue ich mich. Übrigens komme ich auch zum Stricken, denn zwischendurch gibt es immer wieder Wartezeiten, die man ja auch irgendwie überbrücken muss.

Ich fühle mich wirklich sehr wohl und habe das Gefühl, dass ich hier sehr viel Kraft tanken kann. Das wird gut, das kann ich spüren. Ich fühle mich sehr gut betreut. Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten sind alle sehr nett, nehmen sich Zeit und geben einem nicht das Gefühl, nur eine Nummer zu sein.

Ich betrachte diese Zeit hier als grosses Geschenk, als eine Wahnsinnsmöglichkeit, die ich so gut wie es geht nutzen möchte.

Am Nachmittag habe ich noch einen kleinen Spaziergang nach Pfronten gemacht. Anbei ein paar Bilder davon.

Richtung Süden

Irgendwie fühlt sich momentan alles noch ein bisschen komisch an. Ich sitze gerade im Zug auf dem Weg ins Allgäu, wo ich die nächsten 4 Wochen im Rahmen einer psychosomatischen Reh abilitation verbringe.

Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, als ich im Januar tränenueberströmt im Zimmer meiner Ärztin saß, und sie mir vorschlug eine solche Maßnahme zu beantragen. Ich habe so etwas noch nie gemacht und ich weiß noch genau, wie sie mir erklärte worauf eine solche Therapie aufbaut: Gespräche, Sport, Ergotherapie, gesunde Ernährung und die Seele auftanken. Es schoss nur so aus mir heraus und ich weinte und weinte. Das klang so wundervoll.

Etwa drei Monate und hunderte Formulare später bekam ich die Bewilligung von der Krankenkasse. In meinem Fall ist das eben die KK, da ich als Architektin von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit bin und in das Versorgungswerk der Architekten einzahle. Ich durfte die Klinik und den Ort nicht auswählen, umso erfreuter war ich, als ich erfuhr, dass es in die Berge geht, genauer gesagt ins wunderschöne Allgäu.

Doch dann bekam ich erst mal wieder einen Dämpfer. Es sollte ca. 20 Wochen dauern, bis ein Platz frei wird. Ich war ja nun schon seit mehr als 3 Monaten Zuhause. Auch wenn diese Zeit gut und wichtig war, konnte ich mir nicht vorstellen, nochmal 4 Monate die Tapete von der Wand abzukratzen. So entschieden meine Ärztin und ich, während dieser Zeit eine Wiedereingliederung in die Arbeitswelt zu machen. Ich habe dann doch schon einen früheren Termin bekommen. So habe ich dann die letzten beiden Monaten für ca. 4-6 Stunden im Büro verbracht. Als ich gestern den Schreibtisch verließ, war ich auch wirklich stolz, dass ich durchgehalten habe.

Das war nicht immer einfach. Ich war in dieser Zeit sehr oft müde und erschöpft. Oft fühlte ich mich immer noch wenig belastbar. Man hat darauf aber sehr viel Rücksicht genommen, und ich bin unendlich dankbar, dass ich so einen tollen Rückhalt in meiner Firma bekomme.

Gerade läuft der Zug in Stuttgart ein. Der Himmel ist wolkenverhangen und ein bisschen fühle ich mich auch gerade so. Ich bin müde, aber auch irgendwie glücklich. Ich freue mich wirklich auf die Zeit in den Bergen. Ich bin soooo gespannt, was alles auf mich zukommt. Ich werde auf jeden Fall berichten.