Das Beste kommt zum Schluß

Samstag Abend sind wir bei Einbruch der Dunkelheit in Victoria angekommen und direkt mit dem Taxi in unser nahegelegenes kleines Guesthouse im Stadteil Bel Air gefahren. Dort wurden wir freundlich begrüßt und haben uns kurz frisch gemacht, bevor wir uns auf die Suche nach Abendessen begeben haben.

Victoria ist die sehr kleine Hauptstadt des Inselstaates und hat gerade einmal ca. 25.000 Einwohner. Damit ist sie nur ca. doppelt so groß wie meine Heimatstadt Alsfeld. Und so hat es sich auch angefühlt, abends gegen 8 waren bereits alle Bürgersteige hochgeklappt und wir hatten Mühe, überhaupt noch etwas zu finden, was noch geöffnet hat. Nach einiger Suche fanden wir doch nicht etwas, eine Pizzeria (sind anscheinend sehr beliebt auf den Seychellen).

Der Sonntag morgen begann mit einem sehr gemütlichen Frühstück auf der kleinen Terrasse unseres Minihotels und es gab zu meiner großen Freude noch mal frische Mango und Papaya. Für den Tag haben wir keine weiteren Pläne gemacht. Es war Sonntag, und da die Insel zu 95 christlich geprägt ist, hatte fast alles geschlossen. So sind wir einfach losmarschiert und haben geschaut, was der Tag für uns bereit hält.

Was dann passiert ist, war so unglaublich schön, daß ich sicher bin, falls mal jemand fragt, was mein schönster Moment im Jahr 2023 war, es dieser auf jeden Fall in die Top 3 schaffen wird.

Wir liefen ein bisschen abwärts in Richtung Ortskern und kamen an einer Kirche vorbei. Dort fand gerade ein Gottesdienst statt und ein lauter Chorgesang drang aus dem Inneren der Kirche. Dabei hatte ich bereits Gänsehaut. Kai ging durch das Gatter am Eingang und bewegte sich auf die geöffnete Seitentür zu. Schüchtern folgte ich ihm und packte meine Kamera ein, weil ich die Privatsphäre der Kirchenbesucher respektieren wollte. Als wir näher kamen, wurden wir freundlich angelächelt und gebeten, doch einfach rein zu kommen. Eine nette Dame wies uns einen Platz auf einer der Kirchenbänke an und wir setzten uns.

Vorne auf dem Podium spielte eine Band, und unter den Besuchern standen viele auf, erhoben die Hände, wiegten sich zur Musik und sangen aus Leibeskräften. Es war so unfassbar schön, daß mir die Tränen vor Rührung vollkommen unkontrolliert die Wangen runterliefen. Wir waren beide ergriffen von der Schönheit des Augenblicks.

Es war Muttertag auf den Seychellen und alle Mütter wurden gebeten, nach vorne zu kommen und sich ein kleines Geschenk abzuholen. Kai und ich schauten zu, wie die Frauen nach und nach aufstanden und nach vorne gingen. Einige Personen um uns herum schauten zu mir herüber und die Dame neben mir lächelte freundlich und frage mich, ob ich auch Mutter sei. Ich verneinte und sagte, daß ich es gerne gewesen wäre. Da war es dann um mich geschehen. Ich heulte wie ein Schloßhund. Es war eine Mischung aus Rührung und Trauer, Trauer um die Kinder, die ich nicht habe. Meine Sitznachbarin war hochschwanger, sie nahm mich in den Arm und tröstete mich, Ihre kleine Tochter lächelte mich an und teilte eins Ihrer Bonbons mit mir.

Die gesamte Situation war unglaublich emotional. Wir haben anschließend der Predigt noch ein wenig gelauscht, welche abwechselnd in die offiziellen Amtssprachen der Seychellen übersetzt wurde, Englisch, Französisch und Seychellen Creol. Nach etwa einer Stunde standen wir auf und gingen nach draußen. Dort bedankte ich mich nochmals emotional und überschwänglich dafür, daß man uns mit offenen Armen empfangen hat und wir das erleben durften. Ich versichterte, daß ich diesen Moment niemals vergessen werde.

Es war schon Mittag, als wir wieder in die stickige Luft traten. Diese war noch vom sehr regnerischen Vortag so dick und feucht, daß man das Gefühl hatte, direkt in einer Sauna zu laufen. Ich war dennoch beseelt von der vorherigen Erfahrung. Wir fanden ein nettes geöffnetes Café und ich gönnte mir einen großen Iced Coffee. Leider war der schöne lokale Markt in der Mitte der Stadt nicht geöffnet. Es war ja Sonntag. Aber wäre nicht sonntag, dann hätten wir das Erlebnis in der Kirche nicht gehabt.

Gegen 4 waren wir bereits wieder zurück im Hotel. Wir waren froh, dass wir uns dort aufhalten durften, denn unser Flug ging erst am späten Abend um halb 12 lokaler Zeit. Wir machten uns noch etwas frisch, und vertrieben uns die Zeit mit dem Surfen im Netz und dem Suchen nach neuen Reisemöglichkeiten. Einer der Angestellten hatte mir bereits am Vortag drei frische Mangos gepflückt, weil er meine Begeisterung für den vollgehängten Baum bemerkt hat.

Später kam er dann noch mit einer aufgeschnittenen Frucht an, die ebenfalls im Garten des Hotels wuchs und die ich vorher noch nie gesehen habe, geschweige denn probiert habe. Es handelte sich um eine „Soursop“. Eine Recherche in Google ergabe, daß es sich um eine Stachelannone handelte, die auch als Graviola bezeichnet wird. Sie schmeckte leicht säuerlich und war lecker und ich freute mich über die Erweiterung meines Horizonts.

Um 8 Uhr abends holte uns dann ein Taxi ab und brachte uns in ca. 15 Minuten zum Flughafen. Dort haben wir schnell eingecheckt und unser Gepäck abgegeben. Irgendwann begann das Boarding und wir haben uns gefreut, daß wir zwei Sitzplätze nebeneinander hatten in einer 2-er Sitz Konstellation. Es gab noch ein Abendessen an Bord und ich habe mir „Hanna und Ihre Schwestern“ angeschaut. Ein schöner 80er Jahre New York Film. Danach habe ich die Flugzeug-Abendroutine eingeläutet, eine Schlaftablette eingeworfen, Augen und Ohren verschlossen und es tatsächlich mal wieder geschafft, 5 Stunden zu schlafen. Bequem ist anders, aber es war auszuhalten. Um halb 7 am Morgen landeten wir in Zürich, wo wir nach ca. 2 Stunden Aufenthalt in nur 40 Minuten zurück nach Frankfurt gebrachte wurden.

Ich war müde. Saumäßig müde. Als wir um 12 Uhr mittags endlich zuhause waren, habe ich mich auch direkt ins heimatliche bequeme Bett gelegt, während Kai schon wieder umtriebig die Nachreiseroutine eingeläutet hat.

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